Heidelberg, den 25.7.2011
Stellungnahme der BI Lebendige Bahnhofstraße zur „Bebauung der Baufelder MK 2 und MK 3 zwischen Kurfürsten-Anlage und Bahnhofstraße – Weiterverhandlung mit der FA. STRABAG“
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Gemeinderätinnen und Gemeinderäte,
der Gemeinderat der Stadt Heidelberg soll in seiner Sitzung am 27.7.2011 dem Oberbürgermeister einen weitgehenden Verhandlungsauftrag geben, um die Auseinandersetzung um die Neubauten in der Bahnhofstraße mit dem Bauinvestor STRABAG zu beenden.
Die durch den Oberbürgermeister vorgelegte Verhandlungslinie umfasst folgende Kompromisse mit dem Bauinvestor zum Nachteil der Stadt Heidelberg:
- STRABAG wird mit fast 1.000.000 Euro begünstigt: Die vorgesehene Beteiligung von STRABAG an Kosten für Umbauarbeiten in der Bahnhofstraße und in der Kurfürsten-Anlage in einer Größenordnung von fast 1.000.000 Euro soll STRABAG nun nicht mehr bezahlen müssen, obwohl diese Umbauarbeiten ursächlich durch die Baumaßnahme selbst notwendig werden.
- Weitere Nachverdichtung im Baufeld MK 3 (westlich des Justizzentrums): die Bautiefe soll um 4 Meter erweitert werden. STRABAG hätte dadurch einen Flächengewinn und Nutzungsgewinn. Die weitere Nachverdichtung erzeugt noch mehr Umwelt- und Verkehrsbelastungen im Baugebiet und steht im Widerspruch zu den Zielen des Bebauungsplans.
- Preisgünstiger Wohnraum soll entfallen, stattdessen werden 295 Appartements für Studierende gebaut, das widerspricht den grundlegenden sozialen Zielsetzungen des Bebauungsplans.
- Die Kindertagesstätte soll neben den Lebensmittelsupermarkt in MK 3 im Erdgeschoss angesiedelt werden, was wohl kaum einem kinderfreundlichen Standort entspricht.
Folgende zusätzlichen Forderungen der Fa. STRABAG sieht selbst die Stadtveraltung kritisch:
- Bei der Fassadengestaltung soll weiter gespart werden, obwohl die Fassadengestaltung jetzt schon unbefriedigend ist. Auch dies widerspricht den Zielen des Bebauungsplans, wo es heißt, dass Architektur und Kubatur der Baukörper die Formen der Weststadt aufgreifen sollen.
- Eine große Dachterrasse an der Bahnhofstraße im Gebäude mit den Studentenappartements (MK 3) soll entstehen. Erwartbar ist eine starke Lärmbeeinträchtigung der AnwohnerInnen in der Bahnhofstraße.
Die Bürgerinitiative Lebendige Bahnhofstraße lehnt diesen Verhandlungsauftrag des Gemeinderates an den Oberbürgermeister ab.
Die BI Lebendige Bahnhofstraße erwartet stattdessen vom Gemeinderat:
1. Öffentliche Information, Transparenz und das sonst übliche öffentliche gemeinderätliche Entscheidungsverfahren. Zurückverweisung des nun öffentlichen Tagesordnungspunktes in die gemeinderätlichen Ausschüsse incl. dem Bezirksbeirat.
Weder wurde bisher die Öffentlichkeit ausführlich über diese Kompromisslinie informiert, noch wird der Bezirksbeirat Weststadt in diese Entscheidung eingebunden, obwohl die Folgen für die Weststadt erheblich sind.
Lediglich in einer nichtöffentlichen Sitzung des Bauausschusses, des Hauptausschusses und des Bezirksbeirats hat die Verwaltung einmal über den Verhandlungsstand mit STRABAG berichtet. Das widerspricht vollständig dem Geist der Leitlinien, die derzeit in einer Arbeitsgruppe des Gemeinderats zur Bürgerbeteiligung erarbeitet werden.
Die nun geplante intransparente Schnellentscheidung wäre ein erneuter, unerträglicher Affront gegenüber einer sowieso schon skeptischen und an Bürgerbeteiligung interessierten Öffentlichkeit. Der demokratischen Kultur in Heidelberg entstünde neuer Schaden.
2. Die Verwaltung soll zur Vorbereitung der Entscheidung eine Bilanzierung der Vorteile und Nachteile der STRABAG – Bauinvestition für das Heidelberger Gemeinwesen erstellen. Dazu müssen mindestens folgende Aspekte gehören:
Vorteile für die Fa. STRABAG / Nachteile für das Gemeinwesen:
- Flächengewinn des 6. Stockwerks im Justizgebäude, wirtschaftlicher Mehrwert für STRABAG, Nachteile für das Gemeinwesen.
- Flächengewinn durch die teilweise Überbauung der Bahnhofstraße, wirtschaftlicher Mehrwert für STRABAG unter Berücksichtigung des Kaufpreises für die Bahnhofstraße und Nachteile für das Gemeinwesen.
- Flächengewinn durch die größere Bautiefe in MK 3, wirtschaftlicher Mehrwert für STRABAG; Nachteile für das Gemeinwesen.
- Flächengewinn durch Überbauung des Erdgeschosses in MK 2 statt in MK 3, Nachteile für das Gemeinwesen.
- Umwandlung des geplanten und durch den Bebauungsplan geforderten allgemeinen und kostengünstigen Wohnraums, wirtschaftlicher Mehrwert für STRABAG; Nachteile für das Gemeinwesen.
- Einsparungen bei der Fassadengestaltung; wirtschaftlicher Gewinn für STRABAG, Nachteile für das Gemeinwesen.
Nachteile für die Fa. STRABAG / Vorteile für das Gemeinwesen
- Flächenverlust durch den Verzicht auf die Staffelgeschosse, die durch den Bebauungsplan rechtlich zulässig gewesen wären, Vorteile für das Gemeinwesen.
- Entgangener, kalkulatorischer Gewinn durch diesen Flächenverlust. Nachweis durch Offenlage der Baukalkulation.
Diese Form der Bilanzierung entspricht im Kern der Nachhaltigkeitsprüfung, die sowieso Bestandteil jeglichen gemeinderätlichen Beschlusses sein muss.
3. Klärung der rechtlichen Verantwortung: wer ist für evtl. Schäden der Stadt Heidelberg, die durch das mangelhafte Bebauungsplanverfahren entstanden, verantwortlich ?
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