Stichworte und Erläuterungen:

Der Stand der Dinge….Januar 2011

Der Gemeinderat der Stadt Heidelberg hat im Dezember 2010 mehrheitlich beschlossen, den 2008 beschlossenen Bebauungsplan Bahnhofstraße / Kurfürsten-Anlage erneut zu ändern. Anlass dazu war die Diskussion über die Bauhöhen, insbesondere über die Verhinderung der sogenannten Staffelgeschosse, die der Bauträger STRABAG beim 2. Bauabschnitt ( Gebäude westlich vom Justizzentrum ) entgegen allen früheren Absprachen nun doch bauen will.

Kernargumente der BI Lebendige Bahnhofstraße für die Änderung des Bebauungsplans

Die öffentliche Aufmerksamkeit richtete sich bisher auf die Neubauten “Justizzentrum” und die beiden Baukörper westlich davon, die zur Zeit von der FA. Strabag geplant werden. Der Widerstand aus der Bevölkerung gegen die erhebliche Nachverdichtung und gegen die unproportionierte Bauästhetik dieser Gebäude hat zu einigen kleinen Änderungen geführt, bspw. zur Verhinderung der sogenannten Staffelgeschosse.

Die nächsten Bauabschnitte stehen aber noch aus: Die Fläche, wo heute das Zollamt steht ( am Römerkreis ) und die Flächen östlich des Justizzentrums bis zum Hotelkomplex.

Die Grundprobleme der bisherigen Neubebauung werden sich dort wiederholen, deshalb fordert die BI Lebendige Bahnhofstraße eine Revision des Bebauungsplans für diese Flächen und die breite Beteiligung der Bürgerschaft an diesem Vorhaben.

Diese Probleme sind:

  •  Mindestens Verdoppelung der bisherigen Nutzflächen durch die Neubebauung in der Bahnhofstraße….. Zollgebäude von 2.400 qm Nutzfläche auf ca. 10.000 qm, Fläche östlich vom Justizgebäude von ca. 15.000 qm Nutzfläche auf ca. 27.000 qm Nutzfläche ( Angaben der Stadt Heidelberg).
  • …und weitere Neubauten in der Poststraße: Gleichzeitig werden werden weitere Bauprojekte am Rande der Kurfürsten-Anlage fertig geplant und fertig gestellt: Altes Hallenbad mit zwei zusätzlichen Gebäuden und Überbauung des Parkplatzes an der Poststraße ( bei Sparkasse und Volksbank ).
  • Mindestens Verdoppelung der täglichen Verkehrsbewegungen bei gleichzeitigem Wegfall vorhandener Autoparkplätze.
  • Keine befriedigende Lösung der Fußgänger- und Radwegebeziehungen zwischen Weststadt, Bergheim und Altstadt.
  • Erhöhte Lärm-, Abgas- und Umweltbelastungen.
  • Überlastung der Kurfürsten-Anlage, des Römerkreises und des Adenauerplatzes durch zunehmenden Individualverkehr.
  • Gefährdung des kleinenen und mittleren Einzelhandels in der Bahnhofstraße durch zusätzliche Ansiedelung großer Verkaufsketten.

Was will die Bürgerinitiative Lebendige Bahnhofstraße ?

  • Eine gesamtstädtische Planung und Bewertung der Entwicklung rund um den Bismarckplatz: Die Entwicklung der Flächen zwischen Bahnhofstraße und Kurfürsten-Anlage und die Neubauten an der Poststraße haben eine gesamtstädtische Bedeutung, insbesondere auch für den Übergangsbereich Altstadt nach Bergheim und zur Weststadt. Die zu beantwortenden Fragen sind: Wieviel Gewerbeflächenerweiterungen im Innenstadtbereich sind notwendig und langfristig ( nachhaltig) tragbar und vernünftig ? Zu berücksichtigen sind dabei auch die Bauflächenentwicklungen in der Bahnhstadt und der sogenannten Konversionsflächen ( US-Flächen…..).
  • Keine Stadtplanung aus der Helikopter- und Investorenperspektive, sondern eine Stadtplanung, die dem menschlichen Augenmaß folgt.
  • Eine ökologisch vertretbare Verkehrsplanung, die vor allem den ökologisch vertretbaren Fortbewegungsmitteln ( zu Fuß, mit dem Rad, mit dem Öffentlichen Nahverkehr…) den Vorrang gibt. Reduzierung der Umweltbelastungen durch den Autoverkehr und Erhöhung der Sicherheit durch Tempo 30 / 40 im innerstädtischen Bereich. Dadurch können auch die unterstützungswerte  Ziele des Bebauungsplans Bahnhofstraße – wie z.B.  Aufwertung der öffentlichen Räume und Verbesserung der Wegebeziehungen Weststadt – Bergheim ohne überhöhte Straßenbaukosten umgesetzt werden.

Beschlüsse des Gemeinderats:

Änderungsbeschluss des Gemeinderats vom 2.12.2010

“Mit der Änderung des Bebauungsplan sollen die planungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Konkretisierung und Sicherung der städtebaulichen Ziele geschaffen werden”.

Städtebauliche Ziele des Bebauungsplans, lt. Beschluss des Gemeinderats vom 16.10.2008

Begründung des Bebauungsplans Kurfürsten-Anlage, Beschluss Gemeinderat 16.10.2008

” Folgende städtebauliche und verkehrsplanerische Ziele werden für den Bereich des Bebauungsplans ‚Kurfürsten-Anlage‘ definiert:

Umsetzung der Grundzüge des Wettbewerbsentwurfs (1. Preis) und des nachfolgenden qualifizierenden städtebaulichen Konzepts, Ausbildung eines lebendigen neuen Stadtquartiers, auch in den Abendstunden; Bau eines neuen Quartiersplatzes in der verlängerten Landhausstraße, Minimierung der vorhandenen Barrierewirkung der Kurfürsten-Anlage, Zeitnahe Realisierung eines 1. Bauabschnitts als Initialzündung, Schaffung von städtischen Gebäudetypen für verschiedene Nutzergruppen, Festsetzung eines Wohnflächenanteils von 50% in den für das Wohnen vorgesehenen Kerngebieten, Ausweisung von Flächen für den Einzelhandel und die Gastronomie, Begrünung von flachgeneigten Dächern, Verbesserung der Wegebeziehungen für Radfahrer und Fußgänger in der Kurfürsten-Anlage in Ost-West-Richtung, Verlängerung der Kleinschmidtstraße und der Häusserstraße bis zur Kurfürsten-Anlage und damit die Einrichtung von direkten Wegeverbindungen von der Weststadt nach Bergheim. Ersatz des heutigen Doppelknotens Kurfürsten-Anlage / Poststraße / Landhausstraße / Ausfahrt Busbahnhof durch den vierarmigen Knoten Kurfürsten-Anlage / Poststraße / Goethestraße,  Einrichtung von derzeit nicht vorhandenen Linksabbiegebeziehungen von der Kurfürsten-Anlage in das Baufeld an der Goethe- und Kleinschmidtstraße, Neuordnung des Straßenquerschnitts der Kurfürsten-Anlage mit Reduktion des Querschnitts in der westlichen Zufahrt zum Adenauer Platz und der Herstellung von angemessenen Rad- und Fußgängerverkehrsanlagen, ggf. Einrichtung eines Erschließungsweges parallel zur Kurfürsten-Anlage zur Minimierung der negativen Auswirkungen von Lade- und Lieferverkehr auf den durchgehenden Fahrbahnen, Einrichtung von zusätzlichen Fußgängerquerungen über die Kurfürsten-Anlage zwischen Poststraße und Römerkreis,  Bündelung des öffentlichen Verkehrs (Straßenbahn und Bus) auf die mittig gelegene ÖV-Trasse,  Zusammenlegung der Haltestellen ‚Poststraße‘ und ‚Adenauerplatz‘ zur neuen Haltestelle ‚Seegarten‘,Anpassung des Straßenquerschnitts der Bahnhofstraße und Ersatz der Parkstände in der Straßenmitte durch die Realisierung von Längsparkplätzen am Straßenrand,  Einrichtung von zusätzlichen Parkständen an den Querstraßen zwischen der Kurfürsten- Anlage und der Bahnhofstraße als Ersatz für die in der Bahnhofstraße wegfallenden Stellplätze in Mittellage.

Aus dem Text des Städtebaulichen Ideenwettbewerbs 2005

“….Ziel des Wettbewerbs ist es……unter Berücksichtigung der gesamtstädtischen Lage eine Neuordnung des Gesamtareals zwischen Römerkreis und Adenauerplatz zu erreichen…..es werden Lösungsvorschläge für eine bauliche und freiraumplanerische Neugestaltung und Aufwertung des Areals erwartet. Diese sollen nicht allein auf städtebauliche Aspekte bezogen sein, sondern auch die Funktion der Kurfürsten-Anlage und der angrenzenden Flächen als Verkehrs- und Aufenthaltsraum für verschiedene soziale Gruppen berücksichtigen…” Aus der Broschüre “Dokumentation Ideenwettbewerb….2005, Seite 9 “

2005, Wettbewerbsergebnisse Städtebaulicher Wettbewerb Kurfürsten-Anlage-Bahnhofstraße, PDF Broschüre

Zur Bürgerbeteiligung

Am 16.10.2008 beschloss der Gemeinderat der Stadt Heidelberg mit knapper Mehrheit den Bebauungsplan. Zuvor sind die gesetzlich definierten  Beteiligungsverfahren umgesetzt worden: Offenlage der Entwürfe, öffentliche Vorstellung der Pläne,  Stellungnahmen aus der Bürgerschaft und Bewertungen verschiedener Institutionen. Bewertung der Stellungnahmen durch die Fachverwaltung und dann Beschluss des Gemeinderats.

Vor diesem Beschlussverfahren gab es im Jahr 2005 einen städtebaulichen Ideenwettbewerb. Auf der Basis des ersten Preises wurde der Bebauungsplan erstellt, allerdings in erheblich veränderter Form.

Formal betrachtet hatte dieses Verfahren also alle Vorschriften zur Beteiligung erfüllt. Dennoch war der Teil der Bürgerschaft, der sich engagiert und kritisch mit dem Bebauungsplan befasste, weder mit dem Verfahren noch mit dem Ergebnis  zufrieden.

Warum ?

  • Wesentliche Vorentscheidungen hinter den Kulissen: Bei der ersten öffentlichen Diskussion, zu der die Bürgerinitiative nach der Offenlage des Bebauungsplans alle Fraktionen im Gemeinderat ( die auch erschienen sind )  eingeladen hatte,  zeigte sich bereits eine sehr große gemeinderätliche Mehrheit für die vorgelegte Variante, also bevor überhaupt eine öffentliche Erörterung stattfand. Das wesentliche Argument dieser Mehrheit war, dass man dem Wunsch des Landes Baden-Württemberg nach einer für die Bedürfnisse der Justiz passgenauen baulichen Lösung folgen müsste. Nur der vorgelegte Plan würde diese Bedingungen erfüllen, andere Lösungen seien nicht realisierbar.  Diese Verabredungen waren scheinbar schon vor der Offenlage des Bebauungsplans hinter den Kulissen zwischen Stadt Heidelberg und dem Land getroffen worden.  Eine echte Auseinandersetzung mit den vielen Gegenargumenten aus der Bürgerschaft hatten also keine Chance.
  • Willfährige Entscheidungen für das Land und für STRABAG: Die konservative Mehrheit des Gemeinderats hat dann konsequenterweise mit der Stimme des Oberbürgermeisters sich nicht um die Meinung der kritischen Bürgerschaft geschert und den Bebauungsplan nach dem Willen des Landes und der Investoren durchgezogen.
  • Schlechtes städtebauliches Ergebnis: Heraus kam dann ein Bebauungsplan, dem  erhebliche öffentliche Flächen in  der Bahnhofstraße und ca. 19 gesunde und hohe Bäume zum Opfer fielen. Die Bahnhofstraßenflächen sind an den Investor verkauft worden. Wie man hört, hat dieser ca. 250 Euro für den Quadratmeter bezahlt. Ein echtes Schnäppchen ! Im Vergleich zum Ideenwettbewerb aus 2005 sind die Baukörper dichter und höher geplant und  auch umgesetzt worden. Die eigentlichen guten städtebaulichen Ziele ( bessere Verbindungen  nach Bergheim, Aufwertung des öffentlichen Raumes usw.) sind kaum noch erkennbar.

Für eine Neuplanung der kommenden Bauabschnitte
Mit der Fertigstellung des Justizzentrums und dem bald beginnenden Bau der beiden Baukörper westlich davon sind die  unmittelbare Interessen  der Investoren und des Landes durch die Stadt Heidelberg erfolgreich abgearbeitet worden. Für die Baukörper im Bereich des Zollamtes und des Bauhauses könnte nun ein neues umfassendes Planungsverfahren unter Beteiligung der Bürgerschaft ohne Druck und Zeitnot realisiert werden. Sofern der politische Wille dafür vorhanden ist.

Der Gemeinderat der Stadt Heidelberg und der Oberbürgermeister könnten verloren gegangenes Vertrauen neu aufbauen, wenn sie sich auf ein echtes Bürgerbeteiligungsverfahren einlassen würden.